top of page

2. PRETENSIONES A VALIDEZ UNIVERSAL

 

Obgleich Habermas oft mit der philosophischen Betrachtung der Wahrheit beginnt, kann man aus pädagogischen Gründen diese logische Ordnung verändern. Daher wird die Wahrhaftigkeit, deren Kern in der subjektiven Lebenswelt und Sprecherabsicht besteht, zuerst in diesem Referat erwähnt. Ihrerseits gestalten sowohl die soziale, ethische Praxis als auch die Normativität den Kern der Richtigkeit und zuletzt konstituieren die objektive, theoretische Erkenntnis und der verständigungsorientierte, intersubjektive Sprachgebrauch jeweils die Schwerpunkte der Wahrheit und Verständlichkeit entsprechend.

 

Habermas’ Lehre über die Geltungsansprüche lässt sich mit der folgenden These zusammenfassen: Die Teilnehmer an jedem Kommunikationsprozess müssen sich verständlich ausdrücken, um sich miteinander über etwas Objektives zu verständigen. In diesem Zusammenhang äußert das erste Reflexivpronomen „sich“ die subjektive, expressive Wahrhaftigkeit; die Wörter „müssen“ und „sich miteinander“ spezifizieren den interaktiven Charakter der normativen Richtigkeit, der Ausdruck „über etwas Objektives“ bestätigt kognitiv den objektiven Bezug auf die Wahrheit und schließlich bezieht sich die Bedeutung von „verständlich“ und „verständigen“ explizit aufs Wortfeld der intersubjektiven, kommunikativen Verständlichkeit.

 

Laut Habermas unterscheiden sich die universalen Geltungsansprüche voneinander eigentlich aufgrund ihrer verschiedenen Kommunikationsmodi, Sprechhandlungstypen und Themen. Der oben erwähnten Ordnung zufolge kann jeder Geltungsanspruch mit Hilfe der folgenden Adjektive beschrieben werden, die jeweils für jeden Kommunikationsmodus bzw. Sprachgebrauch typisch sind: Expressiv, interaktiv, kognitiv und kommunikativ. In dieser gleichen Reihenfolge entsprechen die folgenden Sprechhandlungstypen jeweils jedem universalen Geltungsanspruch: 1) Repräsentativ bzw. äußernd oder manifest; 2) regulativ, normativ, „illokutiv“ bzw. „evaluativ“; 3) „konstativ“ bzw. konstatierend oder perlokutiv; 4) und performativ, handlungsorientiert d.h. universalpragmatisch.

 

Infolgedessen stehen die jeweiligen Themen jedem Geltungsanspruch zu: Die persönliche Intention der Äußerungen jedes Gesprächspartners, die sozialen Beziehungen und Reden interaktiven Normen und Werten entsprechend, der kognitive Gehalt der wahren Propositionen und das solidarische Engagement der pragmatischen Funktion der Sätze in der Sprache. In diesem Zusammenhang ist die Wahrhaftigkeit mit den subjektiven Konnotationen des Sprachgebrauchs der Semiotik vereinbar, die Richtigkeit mit den Normen der Syntaktik, die Wahrheit mit dem objektiven Bezug auf etwas Bestehendes, der für die Semantik typisch ist, und die Verständlichkeit mit dem intersubjektiven Sprachgebrauch der Pragmatik.

 

Obwohl die oben erwähnten Geltungsansprüche auf eine unbeschränkte Kommunikation und auf eine unbegrenzte Kommunikationsgemeinschaft universal sind, fordern sie spekulativ seitens der Theorie des kommunikativen Handelns keine metaphysische „Letztbegründung“, um sich solidarisch in der ethisch-sozialen Praxis für die anderen Teilnehmer und Betroffenen zu engagieren. Diese epistemologische Entscheidung des nachmetaphysischen Denkens ist natürlich weder antimetaphysisch noch antireligiös, sondern eher detranszendentalisiert,[1] säkular und nichtreligiös,[2] d.h. konfessionslos. Im Verhältnis zur traditionellen Universalienlehre wird diese nachmetaphysische Detranszendentalisierung im Anschluss in groben Umrissen dargestellt.

 

 

 

 

[1] Vgl. ders., Kommunikatives Handeln und detranszendentalisierte Vernunft (Philipp Reclam, Stuttgart 2001), S. 7-13. Vgl. ders., Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze (Suhrkamp, Frankfurt 2005), S. 27-31.

 

[2] Vgl. ders., Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion (Herder, Freiburg 2005), S. 16.18.36.

bottom of page