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ÉTICA DE LA RENUNCIA

AL PODER

 

LA INTERACCIÓN DE LA CONCIENCIA

EN EL MARCO DE LA SOLIDARIDAD CON LAS VÍCTIMAS

 

Secuela de mi disertación doctoral

en el contexto de nuestro México violento y convulso

 

2.8 APLICACIONES FUNDAMENTALES A LA ÉTICA Y POLÍTICA

 

Wie interagiert das menschliche Bewusstsein kommunikativ in der interaktiven Wechselwirkung, mittels deren die Theorie des kommunikativen Handelns auf die Begründung der Diskursethik, auf die Kritik an der eugenischen Manipulation der Menschengattung und auf die ›deliberative‹ Politik angewandt wird? Im Lichte des nachmetaphysischen Denkens Habermas’ soll dieser Abschnitt zum Schluss auf diese Frage so praktisch antworten, dass die Diskurstheorie mit Hilfe von detranszendentalisierten Grundanwendungen auf die oben erwähnten Themen in der kommunikativen Alltagspraxis, in deren Rahmen jeder Mensch als bewusstes Ich seine Interaktionskompetenz ausübt, vergesellschaftet wird.

 

2.8.1 Begründung der Diskursethik

 

Im Laufe eines Gesprächs, an dem irgendein Skeptiker, irgendein ›Kognitivist‹ und Habermas teilnehmen, schematisiert dieser letztere programmatisch seinen Entwurf zur Begründung der Diskursethik. Im Grunde genommen, solcher Dialog gilt als ein diskursiver Argumentations- und Kommunikationsvorgang, während dessen jeder Gesprächspartner als interaktiv handelndes Ich bewusst interagiert. Wie folgt, laut Habermas lässt sein Begründungsentwurf zusammenfassen:[1]

 

1) Am Anfang versucht der ›Kognitivist‹, dass der Skeptiker die moralischen Phänomene wahrnimmt. Diesbezüglich räumt Habermas ein, dass die Bedeutung der Fähigkeit zur Wahrnehmung der moralischen Gefühle und Einstellungen von der empiristischen Verkürzung des Rationalitätsbegriffs abgeschwächt worden ist. Deswegen verfehlen viele Philosophen, die einen reduzierenden Vernunftbegriff annehmen, das Ziel einer Erklärung der moralischen Phänomene.

 

2) Obgleich der Skeptiker als Verteidiger des ethischen Subjektivismus Gründe gegen den ethischen Objektivismus anführen kann, ist die Wahrheit ein plausibler Geltungsanspruch aus der Perspektive des ›Kognitivisten‹. Dazu fügt Habermas hinzu, dass die ›propositionale‹ Wahrheit und die normative Richtigkeit verschiedene, universalpragmatische Rolle spielen und infolgedessen verschiedene Argumentationstheorien entwickeln lassen.

 

3) Dennoch ist der Skeptiker einer Meinung mit Verteidigern des Pluralismus, dass ein Konsens hinsichtlich der letzten Wertorientierung vielleicht unmöglich ist. Dagegen argumentiert der ›Kognitivist‹, dass sie sich miteinander über das folgende deontologische Prinzip, das Habermas zufolge als diskursethischer Universalisierungsgrundsatz und Argumentationsregel gilt und bedauerlicherweise transzendentalpragmatisch ist, auf einer postkonventionellen Stufe verständigen können:

 

«(U) Jede gültige Norm muß der Bedingung genügen, daß die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus ihrer allgemeinen Befolgung für die Befriedigung der Interessen jedes Einzelnen voraussichtlich ergeben, von allen Betroffenen zwanglos akzeptiert werden können».[2]

 

4) Dagegen wendet der Skeptiker als Verteidiger des kulturellen Relativismus ein, dass ›U‹ eine voreilige Verallgemeinerung der moralischen Überzeugungen der abendländischen Kultur ist. Auf diese Weise lässt sich der ›Kognitivist‹ zu einer transzendentalpragmatischen Begründung von ›U‹ nach Art von Apel, dessen Ansatz Habermas nach Maßgabe der Universalpragmatik abzuschwächen versucht, mit Hilfe des folgenden diskursethischen Grundsatzes (kurz ›D‹) herausfordern: Gemäß ›D‹ würde jede gültige Norm die Zustimmung aller Betroffenen finden, wenn sie an einem praktischen Diskurs teilnehmen könnten.[3]

 

5) Auf den Anspruch auf eine ›Letztbegründung‹ reagiert der Skeptiker und daher soll der ›Kognitivist‹ sein ›D‹ nach Art von Habermas detranszendentalisieren.

 

6) Wenn der Skeptiker seinem Gesprächspartner mittels einer strategischen, verzerrenden Kommunikationssperre diese universalpragmatische Begründung der Diskursethik verweigert, ist sein Manöver der Habermas’schen Meinung nach ideologisch.

 

7) Andernfalls kann der Skeptiker noch seinerseits den ethischen Formalismus der Diskursethik in Frage stellen und den ›Kognitivisten‹ zu einer Anwendung der Diskursethik auf die Alltagspraxis der Lebenswelt zwingen.

 

8) Aus diesem Grund vertritt Habermas die Ansicht, wonach diskursethische Argumentationen mit dem kommunikativen Handeln der lebensweltlichen Alltagspraxis im Zusammenhang stehen müssen und die Vermittlung zwischen der Moralität und Sittlichkeit komplex ist.[4] Während sich die Moralität gemäß abstrakten Gerechtigkeitsprinzipien entscheiden lässt, befindet sich die Sittlichkeit in der Alltagspraxis des guten Lebens verkörpert und vergesellschaftet. Infolge des Übergangs zur postkonventionellen Stufe kann die Sittlichkeit den Boden unter den Füßen verlieren, d.h. den lebensweltlichen Hintergrund persönlicher Überzeugungen und alltäglicher Motivationen. Daher muss die Diskursethik mit Hilfe der Anwendung ihrer formalen Prinzipien auf die Herausforderungen der Lebenswelt in der Praxis die abstrakte Moralität mit der konkreten Sittlichkeit in Zusammenhang bringen. Hinsichtlich der Forderung besagter Vermittlung verlangt Habermas von der Moralität folgendes:

 

«Jede universalistische Moral muß diese Einbußen an konkreter Sittlichkeit, die sie um des kognitiven Vorteils willen zunächst in Kauf nimmt, wettmachen, um praktisch wirksam zu werden. Universalistische Moralen sind auf Lebensformen angewiesen, die ihrerseits soweit »rationalisiert« sind, daß sie die kluge Applikation allgemeiner moralischer Einsichten ermöglichen und Motivationen für die Umsetzung von Einsichten in moralisches Handeln fördern. Allein Lebensformen, die in diesem Sinne universalistischen Moralen »entgegenkommen«, erfüllen notwendige Bedingungen dafür, daß die Abstraktionsleistungen der Dekontextualisierung und der Demotivierung auch wieder rückgängig gemacht werden können».[5]

 

Um die Vermittlungsaufgabe zwischen formaler Diskursethik und Lebensformen zu erfüllen, lässt sich die kritische Anwendung der Habermas’schen Theorie auf die eugenische Manipulation der Menschengattung mit Hilfe der hermeneutischen Aufgabe der Klugheit und der kontextspezifischen Situationssensibilität im Anschluss in groben Umrissen darstellen.

 

2.8.2 Kritik an der eugenischen Selbstinstrumentalisierung

 

Obgleich das Gespräch des vorherigen Abschnitts erst ein schematisches Beispiel der kommunikativen Interaktion des menschlichen Bewusstseins ist, lassen sich die groben Umrisse der universalpragmatischen Begründung der Diskursethik dennoch im Laufe besagtes Gesprächs skizzieren. Im Unterschied dazu interagiert das moralische Bewusstsein spontan während der Kommunikationsvorgänge, wenn es als interaktiv handelndes Ich z.B. von Manipulationsversuchen zu einer Kritik am instrumentellen Handeln und im Besonderen zu einer Ideologiekritik an der eugenischen Selbstinstrumentalisierung der Menschengattung herausgefordert wird.[6]

 

In diesem Zusammenhang schwächt das nachmetaphysische Denken die starke ›Letztbegründung‹ der metaphysischen Auffassungen der Begriffe von „Person“, „menschlicher Natur“, „Naturrecht“, „Menschenwürde“ bzw. „Würde des menschlichen Lebens“ ab und begründet nur universalpragmatisch im Gegensatz zum metaphysischen Denken die Kritik an der eugenischen Manipulation mit Hilfe der kommunikativen Interaktionskompetenz, denn es scheint diese bescheidene Begründung hinreichend zu sein.[7]

 

Von diesem Standpunkt aus argumentiert Habermas kritisch gegen die liberale Auffassung der Eugenik, die oft letztendlich die Selbstinstrumentalisierung der technologisch unverfügbaren Menschengattung voraussetzt und deren instrumentelle Zwecke rein experimentell, politisch, wirtschaftlich, ethnisch, rassistisch und ideologisch sind. Obgleich Habermas ethisch die positive Eugenik ablehnt, verteidigt er mit Gründen die negative, therapeutische Eugenik. Demzufolge vertritt er die folgende Ansicht:

 

«Nur im negativen Fall der Vermeidung extremer und hochgeneralisierter Übel bestehen gute Gründe für die Annahme, dass der Betroffene der eugenischen Zielsetzung zustimmen würde».[8]

 

Gegen die Instrumentalisierung der Menschengattung argumentiert Habermas, weil sie nicht nur die Selbstauffassung des eugenisch manipulierten Menschen betrifft, sondern sie programmiert auch seine interpersonalen Beziehungen. Im Gegensatz dazu soll eine interaktive Kommunikationsgemeinschaft in die intersubjektiven Kooperations- und Verständigungsvorgänge alle Betroffenen einschließen, da das kommunikative Handeln «die Stimmen der Anderen, der Fremden, Dissidenten und Ohnmächtigen weder nivelliert und unterdrückt noch marginalisiert und ausschließt».[9]

 

Wer eugenisch jemanden manipuliert, fördert asymmetrische und instrumentelle Beziehungen, in denen Betroffene überhaupt nicht mit ihren Programmierern ihre Rollen tauschen können. In diesem Sinne betrifft die positive Eugenik als Selbstinstrumentalisierung der Menschengattung asymmetrisch die Entwicklung der kommunikativen Interaktion des menschlichen Bewusstseins, denn sie verzerrt mittels der eugenischen Manipulation die eigene Selbstauffassung der Betroffenen und stört ihre interpersonalen Beziehungen. Folglich erweitert sie die Zahl der Betroffenen, die aus der interaktiven Kommunikationsgemeinschaft der Beteiligten ausgeschlossen und marginalisiert werden. In gewisser Hinsicht gilt diese Anwendung der formalen Diskursethik Habermas’ als eine Wende zur Ethik materialer Wertinhalte, die sich im Anschluss durch den folgenden Beitrag zur ›deliberativen‹ Politik ergänzen lässt.

 

2.8.3 ›Deliberative‹ Politik

 

Bis zu einem gewissen Grad bleibt die Habermas’sche Kritik an der positiven Eugenik auf der Ebene der interpersonalen Beziehungen, während die Darlegung seines Ansatzes zur ›deliberativen‹ Politik direkt die intersubjektive Ebene der demokratischen Institutionen des Rechtsstaats betrifft. Auf diese Weise kann sich die kommunikative Vernunft sozial auf dem Wege ihrer Vergesellschaftung in den Institutionen und dem Alltagsleben verkörpern lassen.[10] Im Verhältnis zur Ethik und Politik spielt das Recht, das als gesellschaftliche Kategorie gemäß Habermas die ethische Geltung mit der politischen Faktizität in Zusammenhang bringt, die Vermittlungsrolle.

 

Darüber hinaus schlägt er die Umwandlung der eher quantitativen als qualitativen Demokratie vor, die sich eher für die Quantität von Stimmen als für die Qualität der Argumente interessiert, in eine ›deliberative‹ Politik im Lichte der kommunikativen Auffassung der offiziellen Institutionen des demokratischen Rechtsstaats. Während der Vorgänge demokratischer Meinungs- und politischer Willensbildung werden sich Staatsbürger(innen) als Zivilgesellschaft interaktiv ihrer kommunikativen Macht bewusst und in diesem Zusammenhang erwirbt das Thema der kommunikativen Interaktion des menschlichen Bewusstseins eine zivilgesellschaftliche Konnotation.

 

Habermas zufolge genügen weder Luhmanns soziologischer Rechtsbegriff noch Rawls’ philosophische Gerechtigkeitsauffassung getrennt den Anforderungen zur diskursiven Rekonstruktion des Rechts als Vermittlungskategorie zwischen Faktizität und Geltung. Daher rekonstruiert Habermas seinerseits vielmehr von seiner Diskurstheorie ausgehend das System der Rechte, die sich folgendermaßen auflisten lassen:[11]

 

«(1) Grundrechte, die sich aus der politisch autonomen Ausgestaltung des Rechts auf das größtmögliche Maß gleicher subjektiver Handlungsfreiheiten ergeben. […]

(2) Grundrechte, die sich aus der politisch autonomen Ausgestaltung des Status eines Mitgliedes in einer freiwilligen Assoziation von Rechtsgenossen ergeben. […]

(3) Grundrechte, die sich unmittelbar aus der Einklagbarkeit von Rechten und der politisch autonomen Ausgestaltung des individuellen Rechtsschutzes ergeben.

(4) Grundrechte auf die chancengleiche Teilnahme an Prozessen der Meinungs- und Willensbildung, worin Bürger ihre politische Autonomie ausüben und wodurch sie legitimes Recht setzen.

(5) Grundrechte auf die Gewährung von Lebensbedingungen, die in dem Maße sozial, technisch und ökologisch gesichert sind, wie dies für eine chancengleiche Nutzung der (1) bis (4) genannten bürgerlichen Rechte unter gegebenen Verhältnissen jeweils notwendig ist».[12]

 

Auf Basis von den folgenden Prinzipien des Rechtsstaats begründet Habermas die universalpragmatische Rekonstruktion der oben erwähnten Rechte: 1) Diskursive Neubestimmung des Prinzips der Gewaltenteilung, die laut Habermas vier sind, nämlich die ›deliberative‹ Gesetzgebung der Legislative, die Rechtsprechung der Judikative zwecks der Gesetzesanwendung, die administrative Vollziehungsmacht der Exekutive und die kommunikative Macht der Zivilgesellschaft. Mit wenigen Worten «muß die administrative Macht an kommunikativ erzeugte Macht rückgebunden bleiben»,[13] weil «sich alle politische Macht aus der kommunikativen Macht der Staatsbürger herleitet».[14] 2) Das Prinzip der Trennung von Staat und Gesellschaft. 3) Das Prinzip der Volkssouveränität, wonach alle politische Staatsgewalt von der kommunikativen Volksmacht ausgeht. 4) Das Prinzip der Bindung der Justiz ans geltende Recht. Auf diese Weise «muß die Justiz von der Gesetzgebung getrennt und an einer Selbstprogrammierung gehindert werden»,[15] deren Zwecke instrumentell und strategisch sein können. 5) Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. 6) Das Prinzip des innerstaatlichen Willkürverbots. 7) Der Grundsatz des politischen Pluralismus. 8) Das Prinzip der Gewährleistung der autonomen Öffentlichkeit und der Grundsatz der Parteienkonkurrenz. 9) Das parlamentarische Prinzip der Einrichtung ›deliberierender‹ und ›beschlussfassender‹ Vertretungskörperschaften. 10) Das Prinzip der Gewährleistung eines umfassenden Schutzes der individuellen Rechte.

 

Ihrerseits lassen sich besagte Prinzipien durch die Bedingungen für die Erzeugung der kommunikativen Macht begründen, d.h. durch die interne Verbindung zwischen Recht und politischer Macht, die rechtliche Institutionalisierung einer öffentlichen Meinungs- und Willensbildung und durch die diskursive Gestaltung des demokratischen Verfassungsstaats. 1) Aufgrund der Verbindung zwischen Recht und politischer Macht verweben sich die Schaffung von Rechtsnormen und die kommunikative Machterzeugung miteinander, denn das Recht bedarf der wirksamen Faktizität der politischen Institutionen und dem Recht ist die allgemein verbindliche Geltung dieser Institutionen zu verdanken. 2) Die Meinungs- und Willensbildung soll rechtlich im Hinblick auf die Schaffung von Rechtsnormen und auf Basis von der Zustimmung derjenigen, die als Beteiligte und Betroffene an rationalen und postkonventionellen Diskursen teilnehmen, anhand diskursiver Kommunikationsvorgänge institutionalisiert werden. 3) Der demokratische Verfassungsstaat, der diskursiv gestaltet wird, soll fortwährend auf die Kritik der Zivilgesellschaft als Kommunikationsgemeinschaft offen und aufmerksam bleiben.

 

Während die Schaffung von Rechtsnormen prinzipiell den Gesetzgeber(inne)n die Unbestimmtheit des Rechts zwecks der allgemein verbindlichen Geltung der Gesetze verlangt, obliegt ihre faktische Anwendung im Lichte der diskursiven Rationalität den Richter(inne)n kraft ihrer Rechtsprechung und innerhalb der Grenzen ihrer jeweiligen Kompetenzen gemäß der Justiz. Einzig und allein sichern die kommunikativen Verfahrensbedingungen sowohl der demokratischen Genese von Gesetzen als auch ihrer diskursiven Anwendung die Legitimität des gesetzten Rechts.[16] Folglich erfordert die Diskurstheorie des Rechts eine ›deliberative‹ Politik, deren Verfahrensbegriff der „Demokratie“ mit dem instrumentellen Einfluss und mit der strategischen Durchsetzung der privaten Ziele bestimmter Interessengruppen über den Staatsapparat auf Kosten allgemeiner Interessen unvereinbar ist. Im Gegensatz zu besagter Instrumentalisierung besteht die ›deliberative‹ Politik auf den demokratischen Kommunikationsvorgängen, in denen sich der zwanglose Zwang der besseren Argumente durchsetzt.

 

Im Rahmen des demokratischen Rechtsstaats muss die ›deliberative‹ Politik mit Hilfe des wirksamen Rechtsmediums die interaktive Kommunikation mit allen übrigen, legitim geordneten Handlungsbereichen ermöglichen und «gewinnt ihre legitimierende Kraft aus der diskursiven Struktur einer Meinungs- und Willensbildung»,[17] die als informelle Meinungsbildung und demokratisch verfasste, formelle Willensbildung eine zweigleisige ›deliberative‹ Politik fördert. Samt der informellen Meinungs- und formellen Willensbildung entfaltet das menschliche Bewusstsein seine zivilgesellschaftlichen Fähigkeiten, interaktiv mit anderen Staatsbürger(inne)n zu kommunizieren und kommunikativ zu interagieren.

 

In komplexen Gesellschaften ist die kommunikative Macht der Zivilgesellschaft niemals zu unterschätzen, denn tatsächlich wird das öffentliche Netzwerk kommunikativer Handlungen zwischen den Systemen des Rechts und der Politik von der kommunikativen Macht der Zivilgesellschaft ermöglicht, die in allen gesellschaftsweiten Machtkreisläufen zirkuliert. Kraft ihrer kommunikativen Macht erreicht die Zivilgesellschaft, dass Probleme und Konflikte der sozialen Peripherie auf dem Wege der resonanzfähigen und autonomen Öffentlichkeit ins politische System hereingetragen werden können. Aus seiner philosophischen Sicht fasst Habermas folgendermaßen den Öffentlichkeitsbegriff auf:

 

«Die Öffentlichkeit läßt sich am ehesten als ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen beschreiben; dabei werden die Kommunikationsflüsse so gefiltert und synthetisiert, daß sie sich zu themenspezifisch gebündelten öffentlichen Meinungen verdichten».[18]

 

Bezüglich der Konflikte und Probleme der äußersten Peripherie können zivilgesellschaftliche Mitglieder angesichts bestimmter Krisensituationen eine überraschend aktive und folgenreiche Rolle übernehmen und spielen, weil sie oft im Vergleich zum faktischen Zentrum der politischen Mächte eine wirksamere und aufmerksamere Sensibilität für die Wahrnehmung und Identifizierung neuer Schwierigkeiten und Herausforderung zu besitzen pflegen.

 

«Von dieser äußersten Peripherie aus dringen die Themen in Zeitschriften und interessierte Vereinigungen, Clubs, Berufsverbände, Akademien, Hochschulen usw. ein und finden Foren, Bürgerinitiativen und andere Plattformen, bevor sie gegebenenfalls in gebündelter Form zum Kristallisationskern von sozialen Bewegungen und neuen Subkulturen werden».[19]

 

Auf diese Weise kann sich das Interesse der Medien für neue Problemlagen, die die Massenmedien zur Kenntnis nehmen können, erregen lassen. Auf diesem Weg können solche Themen sogar mit Hilfe der strategischen Unterstützung spektakulärer Aktionen –z.B.: Massenproteste und anhaltender Kampagnen– das breite Publikum auf besagte Problematik aufmerksam machen und ihre explizite Berücksichtigung kann auf die Debatten der öffentlichen Agenda und der Kernbereiche des politischen Systems gelangen, in dessen institutionellem Rahmen besagte Thematik formell behandelt werden kann.

 

Wenn offizielle Institutionen des demokratischen Rechtsstaats die interaktive und öffentliche Kommunikation verzerren und einseitig das Recht instrumentalisieren, sind ihre Entscheidungen insoweit illegitim, als sich die politischen Gewalten des institutionellen Systems von der kommunikativ erzeugten Macht trennen und verselbständigen. Angesichts der illegitimen Macht, die die Organisationen und einschließlich die Massenmedien bisweilen unrechtmäßig besitzen können und deren Institutionen keine ungezwungene Kommunikation gewährleisten wollen, dürfen Staatsbürger(innen) und die ganze Zivilgesellschaft zum bürgerlichen Ungehorsam als letztem Mittel Zuflucht nehmen. «In dieser Interpretation des bürgerlichen Ungehorsams manifestiert sich das Selbstbewusstsein einer Zivilgesellschaft»[20] und selbstverständlich auch seine kommunikative Interaktion in Zusammenhang mit der Habermas’schen Diskurstheorie des demokratischen Rechtsstaats.

 

 

 

 

[1] S. Benhabib vertritt die folgende These: «Die kommunikative Ethik ist in erster Linie eine Theorie der moralischen Begründung». BENHABIB, Seyla, Kritik, Norm und Utopie. Die normativen Grundlagen der Kritischen Theorie (Fischer, Frankfurt 1992), S. 206.

 

[2] HABERMAS, Jürgen, Moralbewusstsein…, S. 131.

 

[3] Vgl. ebd., S. 132.

 

[4] Vgl. ebd., S. 117.86-88.54. Die Moralität des Gerechten schließt keineswegs die Sittlichkeit des guten Alltagslebens aus und der Formalismus der Habermas’schen Diskursethik schließt ab und zu materiale Inhalte ein. H. Gripp unterscheidet den Gegenstad der Diskursethik von ihrem ethischen Grundsatz bzw. Moralprinzip und fügt dazu hinzu: «Dieses Moralprinzip ist ein rein formales Prinzip». GRIPP, Helga, Jürgen Habermas…, S. 134. Seinerseits kann der Gegenstand der Diskursethik inhaltliche Prinzipien und Normen spezifizieren. «Das eigentliche Problem ist demzufolge, auch für Habermas, das der Vermittlung von Moralität und Sittlichkeit». Ebd., S. 135.

 

[5] HABERMAS, Jürgen, Moralbewusstsein…, S. 119.

 

[6] J.P. Brune wendet den Begriff „menschliche Gattung“ auf die Verteidigung der menschlichen Embryonen und zugunsten ihres Einschlusses in den Kreis der moralisch Anspruchsberechtigten an. Zu diesem Zweck argumentiert Brune aus der Perspektive ihrer Identität, Kontinuität und Potentialität, deren Wortfeld er eben in Zusammenhang mit den Begriffen von „empirischer Diskursindisposition“ und „Diskurspotentialität“ bringt. In gewissem Sinn versucht er, sich von einer schlechten Metaphysik zu distanzieren, z.B. schreibt er: «Aber ich denke, daß es möglich sein muß, einen schlechter Metaphysik unverdächtigen Begriff der menschlichen Gattung beizubehalten. […] Wenn sich also zeigen läßt, dass die Rede von unserem Potential diskursiver Indisposition eine spezifisch menschliche Indisposition ist, kommt hier (performativ) ein Begriff menschlicher Gattung zum tragen, der weder metaphysisch problematisch sein dürfte noch ohne weiteres eine Ausweitung auf nicht-menschliche und diskursindisponierte Wesen zuläßt». BRUNE, Jens Peter, Moral und Recht…, S. 548-549.

 

[7] Aufgrund dieser epistemologischen Bescheidenheit betont das nachmetaphysische Denken eher das Thema der kommunikativen Beziehungen als die metaphysische Begründung der menschlichen Natur. Dafür ist ein Beispiel Habermas’ folgender Text: «Wie ich zeigen möchte, ist »Menschenwürde« im streng moralischen und rechtlichen Verstande an diese Symmetrie der Beziehungen gebunden. Sie ist nicht eine Eigenschaft, die man von Natur aus »besitzen« kann wie Intelligenz oder blaue Augen; sie markiert vielmehr diejenige »Unantastbarkeit«, die allein in den interpersonalen Beziehungen reziproker Anerkennung, im egalitären Umgang von Personen miteinander eine Bedeutung haben kann. Ich gebrauche »Unantastbarkeit« nicht gleichbedeutend mit »Unverfügbarkeit«, weil eine nachmetaphysische Antwort auf die Frage, wie wir mit vorpersonalem menschlichem Leben umgehen sollen, nicht um den Preis einer reduktionistischen Bestimmung von Mensch und Moral erkauft werden darf». HABERMAS, Jürgen, Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik? (Suhrkamp, Frankfurt 2005), S. 62. In diesem Zusammenhang distanziert sich Habermas von den Auffassungen sowohl des metaphysischen Reduktionismus der ›Letztbegründung‹ als auch des naturalistischen und biologischen Reduktionismus, denn sie gebrauchen jeweils einen Begriff der „menschlichen Natur“ und „Natur“, der jeweils eher dogmatisch und ›szientistisch‹ als kommunikativ ist.

 

[8] Ebd., S. 109.

 

[9] Vgl. ders., S. 99.

 

[10] Brune rekonstruiert die Vergesellschaftung der kommunikativen Vernunft, die sich in sozialen Tatsachen verkörpern lässt, in Anlehnung an Habermas gemäß den drei folgenden Schritten: 1) Übergang vom subjektiven Bewusstsein zur Intersubjektivität der Sprache, 2) Übergang von der Semantik der Sprache zur intersubjektiven Geltung der Sprechhandlungen im Rahmen der allgemeinen Geltungsansprüche und 3) Übergang von den Geltungsansprüchen zur Verkörperung der kommunikativen Vernunft in den Institutionen und Alltagspraxis. Vgl. BRUNE, Jens Peter, Moral und Recht…, S. 67-85.

 

[11] Bezüglich der Grundrechte, die Habermas im Lichte seines Verfahrensbegriffs der „Demokratie“ rekonstruiert, kommentiert K. Baynes folgendes: «Habermas generates a unique and powerful argument for a model of democracy in which the public and private autonomy of citizens are given equal consideration. It generates an intersubjective account of basic rights and a procedural democracy more attractive than any of the liberal or republican accounts currently available». BAYNES, Kenneth, »Democracy and the Rechtsstaat: Habermas’s Faktizität und Geltung«, in: WHITE, Stephen K., Hrsg., The Cambridge companion to Habermas (Cambridge University, New York 1995), S. 225.

 

[12] HABERMAS, Jürgen, Faktizität…, S. 155-157.

 

[13] Ebd., S. 231.

 

[14] Ebd., S. 209.

 

[15] Ebd., S. 213.

 

[16] Vgl. ebd., S. 320.

 

[17] Ebd., S. 369.

 

[18] Ebd., S. 436.

 

[19] Ebd., S. 461.

 

[20] Ebd., S. 463. Im Rahmen der Diskurstheorie deutet M. Warren den Ansatz Habermas’ zum demokratischen Rechtsstaat, dessen Politik er in Zusammenhang mit den Chancen zur Selbstverwirklichung im Alltagsleben und zur Selbstentwicklung der Fähigkeiten jedes Einzelnen bringt. Laut Warren leistet die demokratische Teilnahme jedes Einzelnen ihren Beitrag zur Umwandlung seiner individuellen Fähigkeiten und das Habermas’sche Werk ist zentral, um gründlich die demokratischen Zukunftsmöglichkeiten besagter These über die Selbstumwandlung zu verjüngen. Vgl. WARREN, Mark E., »The self in discursive democracy«, in: WHITE, Stephen K., Hrsg., The Cambridge…, S. 167-168. «Taken as a theory of the self, Habermas’s approach threatens to server autonomy and happiness, and produce a tyranny of discourse over needs, something he does not intend. How important is this criticism for discursive democracy? It is important only if we confuse a theory of discursive transformation of the self with a theory of the self as such». Ebd., S. 194.

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